NeuroSonanz- & Novosilienz-
Metakonzept

 

Konsequenzen aus Prämisse 1

Wir Menschen haben unterschiedlich konstruierende Gehirne. Keine Aktivität eines Gehirns gleicht der Aktivität eines anderen Gehirns.

(Zunächst eine Wiederholung:)

- Wir können niemals hundertprozentig einen anderen Menschen verstehen. Fragen wir uns also, was ein anderer Mensch will, wünscht, denkt oder bewertet, dann erzeugen wir durch diese Frage in uns selbst ein natürliches Unsicherheitsgefühl. Denn wir können uns niemals selbst eine befriedigende Antwort auf diese Frage geben. Wir sind auf natürliche Weise immer unsicher darüber, was ein anderer Mensch will, wünscht, denkt oder bewertet. Unsere Unsicherheit würdigt den anderen als "Selbstbestimmer und Besserwisser über sich selbst".

 

- Im Umkehrschluss heißt das: Fühlen wir uns in einem Zusammenhang unsicher, dann könnte das ein Zeichen dafür sein, dass wir (unbewusst?) gerade auf andere Menschen schauen oder an andere Menschen denken und uns fragen, was sie wohl wollen oder denken (werden).

Konzentrieren wir uns dagegen auf die Frage: "Wie will ich es?", dann verschwindet die Unsicherheit wieder.

Sie bleibt allerdings bestehen, wenn die Frage: "Wie will ich es?" immer noch verknüpft ist mit der Frage: "Darf ich das überhaupt wollen?" Denn durch diese Frage nach einer Erlaubnis ist die Aufmerksamkeit wieder auf das Umfeld gerichtet, das erlaubt oder verbietet - mit der Frage, wie wohl die anderen Menschen denken und was andere wollen. Das erzeugt wieder Unsicherheit.

 

- Um einen anderen Menschen immer besser zu verstehen, müssen wir ihm Fragen stellen, seine Antworten analysieren und unser daraus entstandenes Verständnis durch erneute Fragen überprüfen. Das ist ein permanenter Wachstumsprozess, der aufgrund der unterschiedlichen Gehirne / Perspektiven nie endet. Auch unsere Fragen würdigen den anderen als "Selbstbestimmer und Besserwisser über sich selbst".

 

- Wollen wir einem anderen Menschen helfen, dann wissen wir nie hundertprozentig, was ihm wirklich hilft. Daher können wir ihm immer nur Hilfsangebote machen. Und der andere nimmt in sich selbst wahr, ob das, was er in unser Hilfsangebot deutet (wie er es auf seine Weise versteht), ihm letztendlich hilft. Dabei lassen wir uns vom anderen bewerten und korrigieren, um unsere Hilfsangebote verbessern zu können. Auch dies ist ein permanenter Wachstumsprozess, der aufgrund der unterschiedlichen Gehirne / Perspektiven nie endet.

 

- Lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf einen anderen Menschen und stehen ihm für seine individuellen Ziele, Wünsche, Bedürfnisse, Visionen, Sichtweisen und dementsprechend auch für seine Bewertungen vollständig in der Mitspieler-Rolle zur Verfügung, dann hat das (neben der natürlichen Unsicherheit in uns) zwei logische und sinnvolle Folgen:

a) Wir haben auf natürliche Weise weniger bis keine Aufmerksamkeit mehr auf unsere eigenen Ziele und Wünsche. Wir haben nur noch Kontakt zu den Ressourcen in uns, die wir für den anderen "wirklich" benötigen. Das ist normal. Alles andere wäre Energieverschwendung und würde zu inneren Konflikten oder Spannungen führen (= verfolgen wir beim Helfen eigene Zielvorstellungen und haben eigene Wünsche, dann können Gefühle von Anstrengung, Überforderung, Hilflosigkeit, Frust usw. entstehen).

Bei unserem "Zur-Verfügung-Stehen" in der Mitspieler-Rolle haben wir also das natürliche und sinnvolle (!) Gefühl, nicht mehr vollständig "wir selbst" zu sein.

b) Unsere Aufmerksamkeit auf den anderen führt dazu, dass wir verstärkt mit dem anderen "mitfühlen" (wie wir bei einem Spielfilm die Handlung mitfühlen). Wir gehen in eine "empathische Resonanz" zum anderen und entwickeln manchmal sogar entsprechende "Resonierende Empfindungen". Dadurch haben wir ebenfalls das Gefühl, nicht "wir selbst" zu sein. Ob wir dadurch aber den anderen "wirklich" erspüren, ist unsicher. Das müssen wir wieder erfragen.

 

 

Weitere Konsequenzen

 

- Nehmen wir die Unterschiedlichkeit unserer Gehirne / unserer persönlichen Perspektiven vollkommen ernst, dann bedeutet das, dass kein anderer Mensch unsere eigene Persönlichkeit bewerten kann (kritisieren oder loben), denn er kann unsere Persönlichkeit gar nicht so wahrnehmen, wie sie "wirklich" ist. Das können wir nur ganz allein. Jeder, der uns kritisiert oder lobt, kann nur aus seiner eigenen Perspektive heraus bewerten - mit seinen eigenen Zielen, Gewohnheiten, Vorstellungen, Wünschen, Bedürfnissen als Hintergrund oder Maßstab. Jede Bewertung eines Menschen zeigt allein seinen eigenen Maßstab. Jede Bewertung zeigt, welchen Wert der bewertende Mensch dem Bewerteten selbst gibt. Seine Bewertung zeigt nicht, wie das Bewertete "wirklich" ist, welchen Wert das Bewertete "objektiv" hat. Kein anderer Mensch kann uns also sagen, welchen grundsätzlichen Wert wir haben - weder grundsätzlich wertlos noch grundsätzlich wertvoll. Jeder Wert wird immer nur auf ein bestimmtes Ziel bezogen bestimmt. Ist etwas oder jemand für ein bestimmtes individuelles Ziel wertvoll? (zu "Bewertungen" siehe auch die Prämisse 2)

 

- Nehmen wir die Unterschiedlichkeit unserer Gehirne / unserer persönlichen Perspektiven vollkommen ernst, dann lässt sich eine wundervolle Zusammenarbeit gestalten. Eine sogenannte "Glückszelle". Ein Mensch kennt seinen Wunsch / sein Ziel (Spieler-Rolle), ein anderer Mensch steht als Helfer / Mitarbeiter / Mitspieler unterstützend zur Verfügung. Beide sind sich über folgende Zusammenhänge vollständig klar:

Der Spieler kennt seinen Wunsch / sein Ziel am besten. Er erklärt sein Ziel geduldig immer wieder neu, damit ein immer besseres Verständnis entstehen kann. Er gibt klare Anweisungen, wie geholfen werden soll. Er korrigiert, wenn verkehrt geholfen wird. Er entscheidet, ob die Hilfe wirklich hilft oder nicht.

Der Mitspieler ist sich immer unsicher über den Wunsch des Spielers. Er stellt Fragen, nimmt die Anweisungen und Korrekturen des Spielers entgegen, und setzt alles so gut wie möglich um, indem er Hilfsangebote macht.

Auf diese Weise können bezogen auf einen Wunsch (ein Ziel) keine Konflikte entstehen, weil die Rollenverteilung sonnenklar ist. Ein Konflikt entsteht nur, wenn unterschiedliche Wünsche / Ziele um den Vorrang kämpfen.

 

- Die Rollenverteilung in einer Glückszelle (Spieler + Mitspieler) ist nicht "festgelegt", denn sie ist jederzeit davon abhängig, auf welchen Wunsch / welches Ziel man sich gerade konzentriert. Dabei wechselt nicht die Rollenverteilung an sich, sondern es wechselt das jeweilige Ziel, auf das man schaut. Bezogen auf dieses Ziel sind die Rollen neu verteilt. Wer hat welches Ziel? Wer ist bezogen auf ein Ziel der zu würdigende Zielkenner (Spieler) und wer ist der Mitspieler (Unterstützer, Helfer, Umsetzer)?

Entscheidend ist dabei, dass man sehr flexibel bleibt, denn Wünsche und Ziele können sich schnell ändern, Aufmerksamkeiten können sich auf andere Ziele verlagern - und dementsprechend können sich auch die Rollen schnell verändern. Kannst du schnell von einer Spieler-Rolle loslassen und in die Mitspieler-Rolle wechseln? Und umgekehrt?

In Gesprächen passiert das permanent: Diejenige Person, die gerade spricht, ist in der Spieler-Rolle und verfolgt das Bedürfnis, ihre Gedanken mitzuteilen. Diejenige, die zuhört, ist bezogen auf das Bedürfnis der Sprecherin in der Mitspieler-Rolle. Da in ausgeglichenen Gesprächen jeder mal spricht, wechseln entsprechend auch die Bedürfnisse und damit die jeweiligen Rollen.

 

- Es gibt keine "flachen" Hierarchien. Die Hierarchie zwischen Spieler und Mitspieler ist eindeutig und klar: Der Spieler ist der klare Zielkenner. Der Mitspieler ist der "unsichere" Helfer, Unterstützer, Umsetzer, Anbieter, Raumgeber (für das Ziel des anderen).

Aber es gibt im Leben / Alltag / Job schnelle Wechsel von Wünschen und Zielen und von Rollenverteilungen und damit von Hierarchien, was dann zu dem Eindruck einer insgesamt "flachen" Hierarchie führt, weil sich jeder mal bezogen auf seine eigenen Wunsch- und Zielvorstellungen in der "führenden" Position (Spieler-Rolle) befindet.

 

- Diese Glückszelle ist auf natürliche Weise in der Beziehung zwischen Baby und Eltern vorhanden. Das Baby ist in der Spieler-Rolle und weiß genau, wann es ihm schlecht geht (es schreit) und wann es ihm wieder gut geht (lächeln). Dementsprechend gibt das Baby den Eltern durch seinen Ausdruck entsprechende “Anweisungen” und “Korrekturen”. Die Eltern suchen als Mitspieler:innen immer wieder unsicher danach, was das Baby will und was es zufrieden stellt und “stillt”.

Irgendwann wird das Kind immer größer, äußert auch weiterhin seine Wünsche, Anweisungen und Korrekturen, doch die Eltern beginnen, das Kind zu bewerten, weil sie nicht mehr für alles in der Mitspieler-Rolle zur Verfügung stehen wollen. Bewertungen führen zu einem Rollenwechsel, denn nur die Spieler-Rolle bewertet. Das bedeutet, dass die Eltern sich beim Bewerten in der Spieler-Rolle befinden und das Kind durch die Bewertungen (Anweisungen, Korrekturen) der Eltern in die Mitspieler-Rolle gebracht wird. Was passiert? Das Kind beginnt danach zu suchen, wie es wieder in die Spieler-Rolle zurückkommt, wie es sein Ziel besser ausdrücken kann, auch seine Anweisungen und Korrekturen, so dass das Ziel / der Wunsch / das Bedürfnis des Kindes von den Eltern besser verstanden wird und die Eltern wieder in der Mitspieler-Rolle helfen. Das Kind sucht in der Spieler-Rolle im Umfeld nach Verständnis. Löst sich dieses Ungleichgewicht (die Suche) nicht mehr auf, weil niemand mehr hilft, dann entsteht ein Trauma-Zustand, in welchem der inzwischen erwachsen gewordene Mensch immer weiter “nach Verständnis” sucht. Er möchte die unerlöste Situation in der Vergangenheit endlich nachträglich erlösen und ein Happy End erleben ...

Im Grunde ist in der "Spieler-Rolle" diese Suche nach Verständnis vollkommen normal und natürlich. Sie ist "richtig". Denn als Spieler braucht man vom Mitspieler Verständnis, damit die Hilfe des Mitspielers optimal gelingen kann (siehe die Glückszelle).

Doch in unserer Gesellschaft hat genau diese Suche nach Verständnis durch schmerzvolle Verlustsituationen in der Kindheit (man hat damals Mitspieler verloren, weil sie sich zurückgezogen haben) einen “Knacks” bekommen (Stressverknüpfung - siehe Prämisse 3) – und man sucht als Erwachsener aus einem ungelösten Unzufriedenheitsgefühl heraus auch in Situationen nach Verständnis, in denen das Gegenüber sich (noch) nicht als “Mitspieler” zur Verfügung gestellt hat. Dadurch wird die Suche nach Verständnis in bestimmten Situationen “übergriffig” und führt zu vielen Konflikten. Und wenn das Umfeld nicht mitmachen will oder auch nicht mitmachen kann, verzweifelt dann die/der Suchende – und das Trauma setzt sich fort.

Der gelöste Zustand (wie ich ihn anbiete): Wir erkennen, dass wir damals in der Kindheit als hilfloses Kind zurecht von unserem Umfeld Verständnis und Unterstützung gewollt hatten, dass aber unsere Eltern oder andere Erwachsene sich aus der Mitspieler-Rolle für uns schmerzlich zurückgezogen haben. Solche Situationen waren bedrohliche Verlustsituationen und sind jetzt vorbei. Sie sind Teil unserer kindlichen Vergangenheit, sie sind Teil unserer damaligen Beziehungen als Kind zu den uns "umsorgenden" und "schützenden" Erwachsenen - und diese damaligen Situationen sind auch heute noch sehr traurig (wenn man die damaligen Situationen noch nicht vollständig verarbeitet hat - siehe Prämisse 3).

Heute ist es angemessen, dass wir als Erwachsene gegenüber anderen Erwachsenen zuerst schauen, wer uns für unser Ziel wirklich vollständig in der Mitspieler-Rolle zur Verfügung stehen möchte. Und erst, wenn diese Zusammenarbeit beschlossen wurde, ist dann in dieser Situation die Suche nach Verständnis gegenüber dem Mitspieler wieder vollständig angemessen. Hier können wir in der Spieler-Rolle nach Herzenslust nach Verständnis suchen, Verständnis wünschen und so lange Anweisungen und Korrekturen geben, bis der Mitspieler alles richtig macht und das Ziel erreicht oder der Wunsch erfüllt oder das Bedürfnis befriedigt wurde (oder bis der Mitspieler nicht mehr zur Verfügung steht und losgelassen wird).

Die “pauschale” Suche nach Verständnis im eigenen Umfeld und auch die "Erwartung", dass das Umfeld verstehen "soll", haben immer eine übergriffige Dynamik, wenn man nicht zuerst das Umfeld gefragt hat, ob es in der Mitspieler-Rolle mitmachen möchte, und das Umfeld noch nicht vollständig die Mitspieler-Rolle eingenommen hat (und die eigenen Wünsche zurückgestellt hat). Das gilt für alle Arten von erwachsenen Kontakten und Beziehungen (Freundschaften, Partnerschaften, berufliche Partnerschaften, Beziehung zwischen "erwachsenem Kind" und seinen Eltern ...).

Diese übergriffige Dynamik wirkt nicht immer übergriffig. Es hängt auch davon ab, wie das Umfeld mit dem Wunsch nach Verständnis eines Menschen umgeht. Das Umfeld könnte beispielsweise dem "Spieler" eine liebevolle Grenze setzen und mitteilen, dass es gerade nicht zur Verfügung steht. Oder das Umfeld könnte der Erwartung des Spielers nach Verständnis und dem Bedürfnis nach Unterstützung von Mitspieler:innen von sich aus zustimmen und sich trotzdem als Mitspieler:in zur Verfügung stellen, ohne darum speziell gebeten worden zu sein.

 

 

Weiterführende Links

Video (Youtube 5 Min.): "Kein Verständnis?" Das NeuroSonanz-Modell - die Lösung (fast) aller Probleme

Video (Youtube 25 Min.): "Echte Unsicherheit überall" - Natürliche Unsicherheit in der Helferrolle

Video (Youtube 19 Min.): "Fragen sind nötig" - Natürliches Fragenstellen

Video (Youtube 22 Min.): "Die Kraft der Angebote" - Angebote machen

Video (Youtube 21 Min.): "Wer ist in welcher Rolle?" - Bestimme die Rollen (1)

Video (Youtube 27 Min.): "Die Glückszelle als gesunder Systemsprenger"

Video-Playlist (2 Videos auf Youtube): "Wir üben spielerisch die Glückszelle"

 

Ankündigung: Es sollen demnächst Seminare und Workshops entstehen (sowohl online als auch in Präsenz) mit dem Titel "Wir üben spielerisch die Glückszelle". Wer jetzt schon daran Interesse hat, kann sich entweder für den Newsletter von Olaf Jacobsen anmelden. Einfach eine E-Mail an

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